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Erzählcafé verbindet Generationen (NEB-Bericht)

Außerhalb des Robert-Breuning-Stifts ist das Erzählcafé noch wenig bekannt. Doch bundesweit ist die Kooperation des Pflegeheims mit der Friedrich-Schelling-Schule und der evangelischen Kirchengemeinde auf dem Weg, Schlagzeilen zu machen. Nachdem das Projekt den „Mach-mit-Award“ der Diakonie in Württemberg gewonnen hat, ist es jetzt für den Deutschen Engagementpreis nominiert.

Die Teilnehmer des Erzählcafés im Robert-Breuning-Stift in Besigheim trennen Jahrzehnte. Zum einen sind da die Mitglieder der Impro-Theatergruppe der Friedrich-Schelling-Schule. Die Gemeinschaftsschüler sind zwischen elf und 15 Jahre alt. Und zum anderen die Bewohner des Pflegeheims und des Betreuten Wohnens sowie weitere interessierte Senioren. Regelmäßig kommen sie zusammen und tauschen  sich zu bestimmten Themen aus (wir berichteten mehrfach). Jetzt ist das Projekt für einen Ehrenamtspreis nominiert. Eine der ältesten Teilnehmerinnen im Erzählcafé ist Waltraud Pfaff mit 94 Jahren. Doch auch wenn sie deutlich mehr Jahre auf dem Buckel hätten als die Schüler, alt fühlten sie sich nicht, sagt Erwin Joos. So kommen die Senioren zum Erzählcafé nicht nur, um Zuhörer für ihre Lebensgeschichten und -weisheiten zu finden, sondern auch, um von den Jugendlichen zu erfahren, was so geht in Besigheim und an der Schule. „Ich habe lange im Kindergarten geschafft“, sagt etwa Gisela Joos. Diesen Kontakt zur Jugend wolle sie jetzt im Ruhestand nicht verlieren, meint die alleinstehende Seniorin, die selbst keine Kinder und Enkel hat. Gisela Joos ist eine der wenigen, die von außerhalb zum Erzählcafé ins Pflegeheim kommen.

Insgesamt würden 30 bis 40 Senioren bei dem Projekt mitmachen, berichtet Sybille  Zimmer. Die Diakonin hat das Erzählcafé vergangenes Jahr im April ins Leben gerufen, das eine Kooperation zwischen der Friedrich-Schelling-Schule, der evangelischen Kirchengemeinde Besigheim und dem Robert-Breuning-Stift ist. Einmal monatlich findet es in der Cafeteria des Pflegeheims statt, wobei sich die Jugendlichen und Senioren jedes Mal ein neues Gesprächsthema vornehmen. Mal geht es darum, wie die Schule früher war und heute ist oder was man in der Konfirmandenzeit oder auf Reisen erlebt hat. Aber auch ernste Themen werden angesprochen, wie etwa die Erlebnisse der Senioren im Zweiten Weltkrieg und danach. Den Schülern von dieser Zeit erzählen zu können, ist vor allem Erwin Joos sehr wichtig. „Es ist toll, wie begeistert die Jugendlichen sind“, berichtet Gisela Joos, „sie gucken immer, ob alle da sind, und wenn jemand fehlt, gehen sie ihn auf seinem Zimmer holen.“ Sehr zuvorkommend würden die Jungen und Mädchen auch alle mit Kaffee und Kuchen bewirten. „Und sie bringen immer schon Zettel mit, auf denen sie sich ihre Fragen an uns notiert haben“, ergänzt Ilse Sinn, die wie Anne Schlagenhauf das Erzählcafé nicht mehr missen möchte. Entsprechend groß ist das Bedauern, dass die Veranstaltung in dieser Woche hitzebedingt ausfallen musste. Doch gibt es nicht nur während der Veranstaltung Gelegenheit, sich auszutauschen, auch in den Wochen danach haben die Senioren Gesprächsstoff. „Man schwätzt halt drüber“, sagt Anne Schlagenhauf. Schließlich bereiteten die Schüler gemeinsam mit ihrer Lehrerin Beate Mackowic und der Theaterpädagogin Sandra Willmann für das Erzählcafé Darbietungen vor. So würden die Jugendlichen Gedichte vortragen, Theaterstücke aufführen oder gemeinsam mit den Senioren Volkslieder singen.

Während sich das Erzählcafé außerhalb des Seniorenstifts und des Betreuten Wohnens allerdings noch wenig herumgesprochen hat, ist es bundesweit auf dem besten Weg, Schlagzeilen zu machen. Denn nachdem das Projekt bereits den Machmit-Award, den Jugenddiakoniepreis der Diakonie in Württemberg, erhalten hat, ist es nun für den Deutschen Engagementpreis nominiert (siehe zweiter Text). „Wow, das ist etwas Hohes“, entfährt es Gisela Joos, als Sybille Zimmer ihr und den anderen davon berichtet. Sichtlich stolz ist auch die Diakonin auf die Nominierung. Sie hofft auf einen guten Platz. Zumal zweimal die Chance besteht, das Rennen zu machen: Nominiert ist das Erzählcafé zunächst in der Kategorie „Generationen verbinden“. Sind die Besigheimer hier aber nicht erfolgreich, können sie immer noch das Online-Voting für den Publikumspreis gewinnen.

NOMINIERUNG
Beim Publikumspreis zählt jede Stimme. Die Chance auf bis zu 10 000 Euro Preisgeld hat das Erzählcafé durch die Nominierung für den Deutschen Engagementpreis. Dieser ist der deutsche Dachpreis für freiwilliges Engagement. Am 5. Dezember, anlässlich des Internationalen Tages des Ehrenamts, wird er in fünf Kategorien in Berlin verliehen: „Chancen schaffen“, „Leben bewahren“, „Generationen verbinden“, „Grenzen überwinden“ und „Demokratie stärken“. Die Gewinner erhalten jeweils Preisgelder in Höhe von 5000 Euro. Doppelt so hoch ist die Siegprämie beim Publikumspreis. Sollte das Erzählcafé von der Jury nicht in seiner Kategorie platziert werden, kann es immer noch hier prämiert werden. Dafür kann online vom 12. September bis 24. Oktober unter www.deutscher-engagementpreis.de abgestimmt werden. (lui)

 

NEB, Freitag 28. Juni 2019